Vor etwas mehr als 2000 Jahren entwickelte man in Griechenland ein Weltbild, das die Erde im Zentrum des Universums sah. Die Erde ruhe an ihrem festen Ort, alles andere (Planeten, Mond und Sonne) umkreise sie auf idealen Kreisbahnen. Diese Ansicht entspricht auch in etwa dem, was sich am Himmel beobachten lässt.
Vor allem durch Claudius Ptolemaeus und seinen Aufzeichnungen im Werk 'Almagest' können wir auch heute noch nachvollziehen, wie man sich damals die Welt vorstellte. Der Almagest war so bedeutend, dass das geozentrische Weltbild fast 1400 Jahre lang in Europa akzeptiert wurde.
Die Beobachtung, dass alles nach unten fällt, was nicht festgehalten wird, führte zu der Überlegung, dass die Planeten an etwas befestigt sein müssten. Man stellte sich durchsichtige Kristallschalen vor, die wie Zwiebelschalen in Schichten um die Erde herum angelegt sind. Jeder Planet (auch Mond und Sonne) wäre demnach an einer eigenen Kristallschale festgemacht. Jede Schale dreht sich mit ihrer eigenen Geschwindigkeit und führt so den Planeten mit sich.
Das entspricht der Beobachtung, dass die Planeten unterschiedlich schnell über den Himmel ziehen. In der folgenden Animation sehen wir das geozentrische Weltbild nach Ptolemaeus, unterlegt mit einer Grafik von Andreas Cellarius. Cellarius lebte von 1596 bis 1665, war also ein Zeitgenosse von Galilei und Kepler und erlebte den Übergang vom geozentrischen hin zum heliozentrischen Weltbild. Er veröffentlichte im Jahre 1660 seinen reich bebilderten Himmelsatlas, die "Harmonia Macrocosmica".
Das geozentrische Weltbild war nicht ohne Probleme. Das wussten bereits die alten Griechen. Sie konnten z.B. beobachten, dass die Helligkeit der Planeten nicht immer gleich ist. An Mars lässt sich das gut mitverfolgen. Es gibt Zeiten, da strahlt er auffällig vom Himmel herab. Einige Wochen später aber ist er relativ unscheinbar und weniger hell als Vergleichssterne wie Antares aus dem Sternbild Skorpion oder Aldebaran aus dem Sternbild Stier, denen er zeitweise sehr ähnlich sieht.
Die Helligkeitsschwankung wurde schon von Ptolemaeus darauf zurückgeführt, dass der Abstand zwischen Erde und Mars nicht immer gleich groß ist. Doch wie bringt man das mit den Kristallschalen in Einklang, die ja ideale Kugelgestalt besitzen und in deren Mittelpunkt die Erde ruht?
Die große Stunde der Epizykel
Ptolemaeus versuchte das Problem mit Hilfskreisen zu lösen. Er setzte auf den Hauptkreis (Deferent) einen kleineren Hilfskreis (Epizykel), auf dem wiederum der Planet befestigt ist. Der Deferent dreht sich um die Erde und führt den Epizykel mit. Der Epizykel rotiert um die Stelle des Deferenten, an der er mit diesem 'verbunden' ist, und mit ihm bewegt sich der Planet. Er vollführt nun keine Kreisbahn mehr, sondern eine Ellipse, wodurch der Abstand Erde - Planet variiert.
Mit dieser Lösung lässt sich ein weiteres Problem beheben: Der Durchmesser des Mondes ist nicht immer gleich groß. Am deutlichsten wird das bei einer ringförmigen Sonnenfinsternis: normalerweise verdeckt der Mond die Sonnenscheibe während einer Sonnenfinsternis vollständig. Bei einer ringförmigen Sonnenfinsetrnis aber ist der Mond zu klein, es bleibt der Rand der Sonne unverdeckt. Die Epizykelvariante würde dafür sorgen, dass der Mond zeitweise näher an der Erde ist und somit größer erscheint, und zeitweise einen großen Abstand zur Erde hat und somit kleiner erscheint.
Experimentiert man ein wenig mit dem Durchmesser des Epizykels, lässt sich sogar noch ein weiteres Problem des geozentrischen Weltbildes lösen: die Schleifenbewegung der Planeten. Normalerweise bewegen sich die Körper des Planetensystems alle in die gleiche Richtung. Von Zeit zu Zeit ist aber eine Rückwärtsbewegung zu beobachten. Die Geschwindigkeit des Planeten vor dem Sternenhintergrund nimmt ab, bis es zum Stillstand kommt. Anschließend bewegt sich der Planet entgegen der üblichen Richtung, bis er wieder zum Stillstand kommt und dann wieder die ursprüngliche Bewegungsrichtung einnimmt. Zeichnet man die Bahn des Planeten auf dem Sternenhintergrund ein, wird eine Schleifenbewegung sichtbar.
Verkleinert man den Durchmesser des Epizykels, erreicht man eine solche Schleifenbewegung. Eigentlich kommt sie dadurch zustande, dass die Erde den Planeten überholt, ihn also zuerst von hinten sieht, dann an ihm vorbeizieht und ihn dann von vorne sieht. Es verändert sich einfach nur unsere Blickrichtung, der Planet weicht selbstverständlich nicht von seiner kreisförmigen Bahn um die Sonne ab. Das wusste man aber damals noch nicht, weshalb man auf die Lösung per Epizykel kam.
Nun sind drei Probleme einigermaßen geschickt gelöst, aber ein neues Problem ist entstanden: wie lässt sich ein Epizykel an einer Kristallschale befestigen? Und wie befestigt man einen Planeten an einem Epizykel? Dass sich die Planeten frei durch den Raum bewegen, war damals einfach unvorstellbar. Ein Planet musste an irgendetwas befestigt sein, um sein Herabstürzen auf die Erde zu verhindern. Die Lösung mit Hilfe der Epizykel ist also auch nur eine theoretische Lösung, in der Praxis wäre so etwas nicht umsetzbar.
Dieses Problem beschäftigte viele weitere Astronomen, die nach Ptolemaeus kamen und sich bemühten, dieses Weltbild zu verbessern. Unter anderem entwarf der dänische Astronom Tycho Brahe um 1600 ein modifiziertes geozentrisches Weltbild, das die Probleme auf andere Weise angeht. Mehr dazu auf der Seite Tychonisches Weltbild. Jedoch war da schon der heliozentrische Entwurf des Nikolaus Kopernikus bekannt, und trotz allen Widerstandes setzte es sich in den kommenden 100 Jahren allmählich gegen das geozentrische Weltbild durch. Mehr dazu findet sich auf der Seite 'Kopernikanisches Weltbild'.