Swing By

Ein Swing-by-Manöver (manchmal wird es auch mit Fly-by, Slingshot oder Gravity-Assist bezeichnet) nutzt die Gravitationskraft von Planeten, um Raumsonden zu beschleunigen oder abzubremsen. Indem ein leichter Raumflugkörper nahe an einem im Vergleich dazu schweren Himmelskörper vorbeifliegt, nimmt er etwas Energie von ihm auf. Sowohl die Geschwindigkeit kann hierbei geändert werden als auch die Flugrichtung.

Kluge Missionsplaner lassen, um Treibstoff und damit Kosten zu sparen, ihre Raumsonden auf komplizierten Bahnen durch das All wandern. Sie schicken die Sonden nicht auf direktem Weg zu ihrem Ziel, sondern lassen sie nahe an verschiedenen Planeten vorbeifliegen, um so genügend Schwung für die lange Reise zu bekommen.

Das Swing-By-Manöver ist schon häufig erfolgreich in der Raumfahrt eingesetzt worden.

Reisen ins äußere Sonnensystem

Geht es von der Erde aus ins äußere Sonnensystem, müssen Raumsonden beschleunigt werden, damit sie die langen Strecken in möglichst kurzer Zeit bewältigen können.

Ein Beispiel dafür ist die Jupitersonde Galileo, die einmal Schwung an Venus und zweimal Schwung an der Erde holte.

Die Raumsonde Galileo flog nicht auf direktem Weg zu Jupiter, sondern vollführte eine komplizierte Schleifenbahn. Sie kam dabei mehrmals an der Erde vorbei und holte sich per Swing-By Schwung.

Mit jedem Mal wurde Galileo etwas schneller. So konnte der Treibstoffverbrauch klein gehalten werden, denn die nötige Energie für den Flug bekam die Sonde unterwegs von Erde und Venus. Sie benutzte die Planeten sozusagen als Tankstelle. Mehr zur Mission der Sonde Galileo zu Jupiter gibt es auf der Seite 'Jupitermissionen'.


Reisen ins Innere des Sonnensystems

Geht es von der Erde aus gesehen ins Innere des Sonnensystems, müssen Raumsonden abgebremst werden, da die Anziehungskraft der Sonne sie sonst immer schneller werden lässt. Allzu weite Strecken müssen ja nicht zurückgelegt werden, sodass keine hohen Geschwindigkeiten benötigt werden.

Wenn die Sonde aber am Zielobjekt ist, soll sie da verweilen und nicht daran vorbei sausen, also ist Bremsen notwendig. Auch beim Bremsen wird Treibstoff verbraucht, den man sich sparen kann, wenn man ein Swing-By-Manöver zum Bremsen benutzt.

Hier haben wir als Beispiel die Flugbahn der Merkursonde Messenger. Damit sie nicht an ihrem Ziel vorbeischießt, nutzte Messenger  die Planeten Erde und Venus und selbst noch den Merkur zum Abbremsen. Messenger flog zweimal an der Venus und gar dreimal an Merkur vorbei, um Bewegungsenergie loszuwerden und zu bremsen.

So kommt diese merkwürdige Flugbahn zustande, die Messenger wie die Katze um den heißen Brei schleichen lässt. Hauptsache ist aber, sie erreicht am Ende ihr Ziel! Start von Messenger war 2004, ihre Ankunft bei Merkur war 2011. 

Gerät ein kleiner Körper in die Nähe eines vielfach größeren und schwereren, so wird er von dessen Schwerkraft beeinflusst. Das gilt sowohl für Raumfahrzeuge als auch für Kleinkörper wie Asteroiden, Meteoriten, Kometen und noch kleinere Steinchen, auch Staubteilchen.


Je nach eigener Flugbahn kann dabei verschiedenes passieren:

Der Absturz

Kommt ein kleiner Himmelskörper, der durch unser Sonnensystem zieht, einem der Planeten zu nahe, gerät er in dessen Schwerkraftbereich. Das kann dazu führen, dass er vom Planeten (oder auch der Sonne) angezogen wird und seine ursprüngliche Bahn verlässt.

Kommt er dem großen Gegenspieler dabei zu nahe, kann es passieren, dass der kleine (Asteroid oder Komet) nicht mehr davonkommt und auf den Großen prallt.

Ein solches Vorkommnis konnte 1994 live am Kometen Shoemaker-Levy beobachtet werden. Der Komet geriet in den Schwerkrafteinfluss des Jupiter und wurde von dessen Gravitationskräften in viele kleine Stücke zerbrochen, die dann nacheinander in die Atmosphäre des Gasriesen eintauchten und verglühten.

So etwas wurde zum ersten Mal beobachtet und erregte auf der ganzen Erde große Aufmerksamkeit. Wenn man sich beispielsweise die Oberfläche des Mondes betrachtet und die vielen Einschlagskrater bemerkt, scheinen solche Abstürze doch recht häufig stattzufinden.


Die Beschleunigung

Ein großer Planet kann auf einen kleinen Körper, der nahe an ihm vorbeikommt, auch wie eine Schleuder wirken. Er beeinflusst ihn dahingehend, dass er seine Flugbahn verändert und ihm ein klein wenig vom eigenen Schwung mitgibt. Auf den Kleinkörper hat diese Energiezufuhr große Auswirkungen, denn er gewinnt deutlich an Geschwindigkeit.

Jupiter ist der größte der Planeten und besitzt auch das größte Gravitationsfeld. Das erstreckt sich weit ins Weltall hinaus und beeinflusst selbst den entfernten Saturn noch ein wenig. Jupiter ist die größte Schleuder, die wir haben.

Viele Objekte, die durch den Raum sausen und womöglich die Erde treffen könnten, werden durch Jupiter abgelenkt und wieder hinausgeschleudert in die äußeren Bereiche des Sonnensystems.

Wenn es Jupiter nicht gäbe, hätte wohl so manch großer Brocken aus dem All den Weg zur Erde gefunden und auf ihrer Oberfläche immense Schäden verursacht..


Die Abbremsung

Genauso wie etwas beschleunigt werden kann, ist auch eine Verringerung der Energie und der Geschwindigkeit möglich. Prinzipiell ist es der gleiche Vorgang:

Ein kleiner Körper kommt nahe an einem im Vergleich zu ihm sehr großen Körper vorbei, gerät in dessen Gravitationsfeld und erfährt sowohl eine Richtungsänderung als auch eine Geschwindigkeitsänderung. Nur dass diesmal die Bewegungsenergie vom kleinen an den großen abgegeben wird.

Das Geheimnis dahinter hat etwas mit der Bewegungsrichtung des Planeten zu tun. Jeder Planet bewegt sich ja um die Sonne, bleibt also nicht stehen und wartet auf die Raumsonde.

Nun kommt es darauf an, ob aus Sicht der Raumsonde oder eines anderen Kleinkörpers der Planet sich gerade auf sie zu bewegt oder von ihr weg. Im ersten Fall erfährt die Sonde eine Beschleunigung, im zweiten Fall eine Abbremsung.

Man kann sich das besser vorstellen, wenn man an die Sportart Tennis denkt: Der Ball kommt angeflogen. Bewege ich den Tennisschläger auf ihn zu und haue dran, dann bekommt der Ball mehr Energie und wird schneller, er ändert die Flugrichtung und fliegt zurück auf das andere Spielfeld.

Der Ball kommt angeflogen. Bewege ich den Tennisschläger leicht nach hinten, und der Ball prallt an ihm ab, verliert dieser einen Teil seiner Bewegungsenergie und wird langsamer. Er ändert seine Flugrichtung und fällt in einem solchen Fall meist nach unten auf den Boden (hier spielt wiederum die Erdanziehungskraft mit hinein, die wir jetzt nicht weiter beachten).


Das Einschwenken in eine Umlaufbahn

Es ist auch möglich, dass ein kleiner Körper von einem größeren eingefangen wird. Dabei wird die Flugbahn des Kleinen so verändert, dass er von nun an den Großen umkreist und nicht mehr von ihm wegkommt. Auf diese Weise haben vermutlich die großen Gasplaneten ihre zahlreichen Monde eingesammelt.

Sind Raumsonden an ihrem Ziel angekommen, schwenken auch sie in eine Umlaufbahn um diesen Planeten oder Asteroiden ein. Auf diese Weise bleiben sie länger vor Ort, um Beobachtungen vorzunehmen und können zudem den Planeten von allen Seiten untersuchen.

Was mit einem kleinen Asteroiden oder Kometen passieren wird, wenn er einem großen Planeten zu nahe kommt, hängt von vielen Faktoren und Zufällen ab:

  • Wie nahe kommt er ihm?
  • Wie bewegen sich beide zueinander?
  • Mit welcher Geschwindigkeit kommt er an?
  • In welchem Winkel nähert er sich dem Planeten?

Wird eine Raumsonde ausgeschickt, um ein Swing-By-Manöver an einem Planeten auszuführen, wird natürlich nichts dem Zufall überlassen. Die nötige Flugbahn für den gewünschten Effekt wird schon lange im Voraus berechnet und geplant und muss dann auch exakt eingehalten werden. Angewendet wurden inzwischen alle vier Varianten der Annäherung einer Raumsonde an einen Planeten:

  • Die Beschleunigung bei Missionen in die äußeren Bereiche des Sonnensystems (als Beispiele Voyager, Galileo, Cassini..)
  • Die Abbremsung bei Reisen zu Merkur (zum Beispiel Mariner 10 und Messenger)
  • Das Einschwenken in eine Umlaufbahn (bei Galileo um den Jupiter, Cassini um Saturn ..)
  • Der gezielte Absturz einer Sonde nach Missionsende (als Beispiel Galileo auf Jupiter und SMART auf den Mond)

Das erste Swing-By-Manöver wurde 1970 von Apollo 13 durchgeführt, aber eher unfreiwillig. Das Raumschiff war mit 3 Astronauten besetzt, die gerade zum Mond fliegen wollten. Unterwegs explodierte ein Sauerstofftank, sodass die drei so schnell wie möglich zur Erde zurückkehren mussten, ehe ihnen die Luft zum Atmen ausgeht. Anstatt (wie ursprünglich geplant) auf dem Mond zu landen, umrundeten sie ihn und nutzten seine Schwerkraft, um ihr Raumschiff Richtung Erde zu beschleunigen. Sie schafften es glücklicherweise rechtzeitig, lebend nach Hause zurückzukommen.

Mariner 10 nutzte 1973 die Schwerkraft der Venus, um abzubremsen. Sie flog zum Merkur ins Innere des Sonnensystems. Dabei besteht immer das Problem, dass die Anziehungskraft der Sonne so stark wirkt, dass Raumsonden wie von selbst beschleunigen. Deshalb muss unterwegs abgebremst werden, damit ein Ziel wie Merkur angeflogen werden kann.

In der umgekehrten Richtung nutzten Voyager 1 und 2 die Riesenplaneten Jupiter und Saturn als 'Sprungbretter', um ihre Reise in die äußeren Bereiche des Sonnensystems fortsetzen zu können. Voyager 2 beschleunigte an Jupiter und Saturn mit der Swing-By-Methode und konnte so Neptun innerhalb von 12 Jahren erreichen. Ohne zusätzlichen Schwung hätte die Reise doppelt so lange gedauert!

Heutzutage werden Swing-By-Manöver bei fast allen Raumfahrtmissionen eingesetzt.

Tags: Raumfahrt

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